Montag, 15. November 2010

Abschiedsbrief

Lieber Michael,
es tut mir Leid, dass alle deine Mühen mein „neues Leben“ vorzubereiten, nun doch umsonst waren. Du hast sicher gemerkt, dass ich mich für meinen Analphabetismus sehr geschämt habe. Ja – ich habe sogar Taten, die ich nicht begangen habe, zugegeben damit man es nicht rausfindet. Trotz meiner Bemühungen, habe ich letztlich das Lesen und Schreiben doch noch gelernt. Aber nach all den Jahren, glaube ich nicht, dass ich bereit für ein neues Leben in der Öffentlichkeit bin und habe Angst vor den Reaktionen der anderen. Und Angst davor, dass sie mich für meine Taten verurteilen. Ich bereue das, was ich damals in Krakau getan hatte, aber ich habe meine Strafe akzeptiert und bitte auch nicht um Vergebung. Ich will nur, dass du verstehst, dass ich die ganzen Toten nicht wollte. Aber für mich gab es zu dem Zeitpunkt einfach keinen anderen Weg. Ich habe auch gemerkt, dass ich in deinem jetzigen Leben keinen Platz mehr habe und verstehe nun, wie sehr ich dich beeinflusst habe und es immer noch tue. Aber ich danke Dir sehr. Danke dir für die schöne Zeit, die ich mit dir zusammen verbringen durfte, und danke dir für die Kassetten, durch die ich endlich meine Scham überwand und lesen lernte. Du sollst dein Leben nicht in Trauer leben, sondern ein normales Leben ohne mich führen, Jungchen.
Deine Hanna

    3 Kommentare:

    1. Hallo Semaleini :)
      Interessant finde ich, dass dein Abschiedsbrief sich inhaltlich von den Anderen unterscheidet.Deine Ausdrucksweise ist treffend und die Gefühle sind genau und emotional beschrieben.

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